Prunksitzung 2014

Fasching, und vor allem der traditionelle Sitzungskarneval, hat auch in unserer heutigen Gesellschaft seine Bedeutung noch lange nicht verloren, nach wie vor bietet das bunte Treiben die Möglichkeit, Dinge klar beim Namen zu nennen, Entwicklungen überspitzt zu hinterfragen, einfach mal „die Luft rauszulassen“. Während früher meist staatliche und kirchliche Würdenträger Zielscheibe der Narren waren, gibt auch heute die Politik auf allen Ebenen noch genügend Material für Büttenreden, denn „an Fasnacht sind wir alle gleich“, wie es Sitzungspräsident Michael Back auf der diesjährigen Prunksitzung des Gesangsvereins Frohsinn Rot im „Harres“ zur Eröffnung auf den Punkt brachte.

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Blätter vor dem Mund? Fehlanzeige! Gerade im St. Leon-Roter „Superwahljahr“ – Bürgermeister und Gemeinderat wurden und werden neu gewählt – wurde die Lokalpolitik gehörig aufs Korn genommen. Umgepflügt wurde auch das Themenfeld über das Zusammenspiel von Mann und Frau, das viele Beiträge dominierte.

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Teil der „Sängerfamilie“ des Gesangsvereins ist inzwischen seit vielen Jahren die Gardeabteilung des „Frohsinn“. Drei Frauengarden und ein Männerballett gehören dieser Abteilung an, die Jahr für Jahr farbige Glanzpunkte in die Prunksitzung einbringt. Der Seniorengarde als ältester Gruppe mit Mädchen im Alter von 17 bis 23 Jahren unter der Leitung von Anne Rosenbauer gebührte das Recht, den Abend feierlich „einzutanzen“. Zu klassischen Melodien in rockigem Gewand fegten die Beine in hohem Tempo über die Bühne, Beethovens „Ode an die Freude“ setzte den Schluss- und Höhepunkt des Beitrags, furios beendet im Spagat.

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Der erste Gast in der Bütt, Günter Gottschall  als „Schorsch“,  berichtete von den großen und kleinen Katastrophen des Alltags, etw2014_Prunksitzung-2a wie er nach einem Kneipenbesuch „volle Kanne wedda’s Garagetor gedunnert isch“ – das Ganze überraschenderweise ohne Auto. Allerlei Bissiges wusste er auch aus seiner langjährigen Ehe zu berichten, von den Anfängen –  „Ich heb nix gschwetzt, sie hot nix gschwetzt und so ergab ein Wort des annere“ bis zur Gegenwart „mei Fraaa schafft jetzt beim Fernseh, ja, sie biggelt die Wäsch‘ jetzt vor de Glotz‘!“

Wohl noch selten hat das Sitzungspublikum eine derart drollige Gardeaufführung gesehen wie die im Anschluss folgende der „Minigarde“: Erst seit Oktober 2013 probt eine große Gruppe Mädchen im Alter von 3-6 Jahren und brachte dennoch eine derart disziplinierte Aufführung auf die Bühne, dass Sitzungspräsident Back anschließend bei den Trainerinnen Anna Stegmüller und Ramona Thome um Erziehungsratschläge bat. Donnernder Applaus belohnte die Darbietung, bei der die „ganz Kleinen“ unter den Tänzerinnen zu verschiedenen Serientitelmelodien, etwa „Löwenzahn“ oder der „Sesamstraße“ tanzten.

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Die männliche Form des „Kaffeekränzchens“, den Stammtisch, parodierten die Jungsänger des Gesangsvereins Frohsinn. Rouven Dittmann, Benjamin Heinzmann, Benjamin Speckert sowie Stefan und Alexander Linder ließen sich in ihrer Männerrunde über das Ortsgeschehen aus, wobei Salven auf die Kommunalpolitik und ihre Akteure nicht zu vermeiden waren, garniert mit so manchem „Schenkelklopfer“. Unterbrochen wurde das „Stammtischgebabbel“ von stimmigen Gesangseinlagen, bei denen die Akteure von weiteren Sängern des Männerchores unterstützt wurden.

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Noch politischer wurde es anschließend bei der Faschingspredigt des Bruders „vom Orden des offenen Kruges“, alias Marius Sandritter. Eingekleidet in liturgische Melodien ging er vor allem mit der Kommunalpolitik in der Gemeinde ins Gericht, etwa an die Adresse des Bürgermeisters: „Mögest du ihn und seinen Gemeinderat erleuchten, sie sehn so aus als wenn sie’s bräuchten!“ Gesellschaftliche Themen wie der Pferdefleischskandal fanden sich jedoch ebenfalls in bisweilen tiefschwarzem Humor süffisant kommentiert in der „Predigt“ wieder.

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Titel der „Comedian Harmonists“ bildeten die musikalische Grundlage für die Darbietung der „mittleren“ Garde, der Juniorengarde unter der Leitung von Tina Heinzmann. Die auf die flotten, im Stil des Swing gehaltenen Titel abgestimmte Choreographie sorgte für gute Stimmung im Publikum.

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Mit viel Blech und eingängigen Schlagern infizierte das „Fanfarenkorps Rauenberg“ unter der Leitung von Hans-Peter Menges das Publikum nach der Pause umgehend wieder mit dem „Faschingsvirus“, wer sich bei den „Evergreens“ nicht mehr auf den Stühlen halten konnte, durfte ausgelassen tanzen und singen.

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„Wu isch er denn, der fette Wal?“ – charmant und überaus freundlich erkundigte sich die Darstellerin des nächsten Beitrags (Birgit 

Braun) nach ihrer Bühnenpartnerin (Gerda Brandenburger) und freundlicher wurde der Ton auch nicht. Doch die so Betitelte war nicht minder begabt im Austeilen und so entwickelt sich ein Schlagabtausch zwischen den beiden, der vor nichts Halt machte: „Halt doch mol die Luft oh mit deinem Gezeter, du sieh’sch doch aus wie’m Teifel sein Dörrfleischvertreter!“ – im Ergebnis ein Plädoyer für die Individualität, gegen Einheitsgrößen und Schlankheitswahn: „denn ich bin stolz auf meine Pfunde, das proste ich in diese närrische Runde!“

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Mit drei Titeln brachte sich der Frauenchor des Gesangsvereins in das Programm ein, auch hier war der Lokalkolorit durch die in Mundart verfassten Lieder vertreten. Nach „Ey, sagt es allen Leuten“ (Melodie: Go tell it on the mountain – Spirtual) und „Es geht mir gut!“ (Westernhagen) liefen die Frauen mit „Isch’s heit sou schee!“(Melodie: Oh happy day- Spiritual) zu Höchstform auf, Sopranistin Johanna Göft glänzte mit einem kraftvollen Solo, spätens da war der Funke auf das Publikum übergesprungen.

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Spannung machte sich im Saal breit und ein Knistern auf der Bühne, als die Seniorengarde schließlich noch ihren diesjährigen Showtanz unter dem Motto „James Bond“ präsentierte. Von Agentinnen mit Pokerface in schwarz-weiß verwandelten sich die jungen Frauen in wahre „Bondgirls“, perfekt abgestimmt zur Musik und so überzeugend, dass das Publikum auch nicht genug bekommen konnte.

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„Fasching, des versteht die oifach net!“ Zu einer festen Größe der „Frohsinn-Sitzungskultur“ ist Andreas Reis in den letzten Jahren geworden, seine Auftritte als frotzelnder junger Mann, der von seinen desaströsen Erlebnissen mit seinen Freunden Kalle und Ottl oder eben den neusten Anwandlungen seiner Freundin berichtet, sind berühmt. Schon mit seinem ersten typischen „denerscht“ hat er die Lacher auf seiner Seite, die überraschenden, präzise vorbereiteten Pointen sitzen wie die Faust auf’s Auge, die desaströsen Ereignisse werden mit vielen spontanen „Ui-u-ui“-Gesängen aus dem Publikum quittiert. Als er jedoch routiniert zur Zugabe ansetzte, wurde ihm von seinen Freunden Michael Wittmer und Rouven Dittmann ein Strich durch die Rechnung gemacht: Mit einer eigenen Nummer entführten sie den sprachlosen „Andi“ auf seinen eigenen Junggesellenabschied.

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Diese Riesenüberraschung konnte die letzte Nummer dann leider einfach nicht mehr toppen, aber fast: Was augenscheinlich als Gardetanz der Mädchen begonnen hatte, entpuppte sich zur Überraschung des Publikums auf einmal als Auftritt der „Hula-Girls“ des Männerballets. Nur im Bastrock und Muschel-BH bekleidet betörten die grazilen Herren als hawaiianische Schönheiten das Publikum mit ihren verführerischen Tanzkünsten. Von Anne Rosenbauer und Tina Heinzmann trainiert, ließen sie Südseeträume auf der Bühne Realität werden, auch hier war natürlich eine Zugabe fällig.

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Zum Finale des Abends kamen alle Teilnehmer noch einmal zu den Klängen von „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ zu einer großen Schunkelrunde zusammen, bevor der Abend in geselliger Runde in der Harresbar ausklingen konnte.